Zusammenkommen von Lockdown und Ölpreisschock trifft Saudis hart

Die Gründe für den wirtschaftlichen Einbruch liegen auf der Hand. Einerseits haben die im Land verhängten Lockdowns, andererseits die überaus stark gesunkenen Weltrohölpreise zu einem Doppelschock geführt. Finanzminister Mohammed al-Jadaan machte im Rahmen eines Interviews gegenüber Al-Arabiya TV am vergangenen Wochenende keinen Hehl daraus, dass sich sein Land auf harte Zeiten zubewege.

Das ölreiche Königreich, das sich inmitten einer gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Liberalisierung befindet, wird nicht umhinkommen, geplanten Wirtschaftsprojekten eine Absage zu erteilen und angedachte Staatsausgaben teils drastisch zu kürzen. Es zwickt an allen Ecken und Enden, was auch mit ein Grund dafür sein dürfte, dass die ausländischen Währungsreserven der Saudis zuletzt um knapp 30 Milliarden US-Dollar im Rekordtempo gesunken sind.

Moody´s senkt Bonität auf negativ – Kreditwürdigkeit könnte folgen

Gleichzeitig weitet sich das saudische Fiskaldefizit immer stärker aus, während die heimischen Aktienmärkte unter einem anhaltenden Rückgang leiden. Aktuelle Prognosen unter Analysten gehen von einem Einbruch des saudischen Bruttoinlandsprodukts in Höhe von -3,2 Prozent im Gesamtjahr 2020 aus. Die Ratingagentur Moody´s Investors Service hat diese Entwicklung auf den Plan gerufen.

Am vergangenen Freitag senkte Moody´s den Ausblick in Bezug auf die Kreditbonität Saudi-Arabiens von stabil auf negativ. Eine Herabstufung der Kreditwürdigkeit könnte folgen, auch wenn es hierfür bislang noch keine Anhaltspunkte gibt. Vielerorts stellt man sich zurzeit die Frage, wie die saudische Regierung ihre Einnahmeverluste aus dem globalen Rohölgeschäft zu kompensieren beabsichtigt.

Zum selben Zeitpunkt wächst die Verschuldung des Landes, was bei Moody´s Fragen danach aufgeworfen hat, ob und auf welche Weise die saudische Regierung in diesem aufmerksam beobachteten Bereich gegenzusteuern gedenkt. Eine Antwort hierauf gab Finanzminister al-Jadaan in dem zuvor erwähnten Interview. Danach bliebe seinem Land nichts anderes übrig, als die Staatsausgaben deutlich zu reduzieren.

Aussage von Finanzminister lässt Börse purzeln

Die saudische Regierung müsse laut al-Jadaan dazu bereit sein, im aktuellen Umfeld mehr Fiskaldisziplin an den Tag zu legen, denn die vor dem Land liegende Durststrecke sei lang. Noch vor gut zwei Wochen hörten sich Aussagen al-Jadaans ganz anders an. Damals sonnte sich der saudische Finanzminister in Optimismus, wonach es seinem Land gelingen werde, mit dem wirtschaftlichen Abschwung gut fertigzuwerden.

Den internationalen Finanzmärkten ist diese in nur kurzer Zeit erfolgte Veränderung in der Sichtweise der saudischen Führung nicht entgangen. Nach den Aussagen al-Jadaans kam es am Folgetag zu einem herben Einbruch an der saudischen Börse. In diesem Zuge brach der Leitindex Tadawul um knapp 7,5 Prozent ein.

„Vision 2030“ wackelt

Diese Entwicklung mag mit der Bekanntgabe al-Jadaans, laut der die Liste der angedachten Kostenkürzungsmaßnahmen seiner Regierung extrem lang sei, in Zusammenhang stehen. Analysten und Investoren fürchten nun, dass sich ganz oben auf dieser Streichliste eine Reihe der vor dem Coronavirus-Ausbruch geplanten Großprojekte in einem Gesamtumfang von zig Milliarden US-Dollars befindet.

Eine Umsetzung dieser Großprojekte sah vor, den heimischen Tourismussektor anzukurbeln und wichtige Infrastrukturbauten zur Umsetzung des ambitionierten Plans namens „Vision 2030“ von Kronprinz Mohammed bin Salman in die Tat umzusetzen.

Im Zuge dieses Plans soll die private Wirtschaft Saudi-Arabiens im Rahmen der angedachten Transformation des Landes massiv unterstützt werden. Denn das Ziel von MbS lautet, Saudi-Arabien auf Sicht unabhängiger von seinen Rohöleinnahmen zu machen. Trotz allem stehen die Saudis finanziell noch immer besser da als viele ihrer Nachbarn.

Saudi-Arabien steht noch vergleichsweise gut da…

Einnahmen aus dem Rohölgeschäft haben die Saudis über die vergangenen zwanzig Jahre zu großen Teilen in einem Staatsfonds angesammelt, der diese Gelder verwaltet und international anlegt. Darüber hinaus blickte das Land Ende März auf ausländische Währungsreserven in einem Umfang von rund 472 Milliarden US-Dollar, die sich nun jedoch weiter dezimieren.

Im internationalen Vergleich erweist sich die Staatsverschuldung Saudi-Arabiens zudem als überschaubar. Einen Zugang zu den internationalen Kapitalmärkten wird das Land auf Sicht gewiss nicht verlieren. Wirtschaftliches Gegensteuern in der Krise und Versuche, die eine Aufrechterhaltung der Stabilität im Land zum Ziel haben, haben allerdings auch ihren Preis.

So wird die staatliche Verschuldung auf Basis von aktuellen Prognosen im laufenden Jahr auf 31,6 Prozent in Relation zum BIP klettern. Darüber hinaus ließe sich davon ausgehen, dass die ausländischen Währungsreserven der Saudis bis Ende dieses Jahres um weitere knapp 50 Milliarden US-Dollars abnehmen werden.

Noch wird bei Moody’s an der Kreditbonität Saudi-Arabiens (A1) festgehalten. Obwohl sich die Finanzlage im Königreich verschlechtert habe, verfüge die saudische Regierung über ausreichende Reserven, um sich gegen diesen Abschwung zu stemmen, wie es bei Moody´s weiter hieß. Doch wie lange noch?

Zahlreiche Ölanalysten erwarten Herabstufung

Eine Antwort auf diese Frage wird wahrscheinlich ganz davon abhängen, wie lange sich die aktuell zu beobachtenden Entwicklungen zeitlich noch hinziehen werden. Und hierauf kann zurzeit niemand eine Antwort geben, da niemand in die Zukunft blicken kann. Die Ölpreise sind seit Jahresbeginn im Durchschnitt um 60 Prozent eingebrochen.

Ähnliche Erfahrungen hatten die Saudis und andere Ölländer bereits in den Jahren 2014 und 2015 gemacht. Anders als damals besteht heute allerdings keine Aussicht auf eine schnelle und nachhaltige Kehrtwende bezüglich der Preisentwicklung an den Weltrohölmärkten – denn die gesamte Welt schwimmt in Öl.

Auch wenn Moody´s es unterlassen hat, auf diesen wichtigen Punkt detailliert einzugehen, rechnen zahlreiche Ölanalysten aufgrund eines sich in rapider Geschwindigkeit vergrößernden Fiskaldefizits mit der wachsenden Wahrscheinlichkeit, dass die Saudis ihr A1-Rating nach einer unverhofft verkündeten Herabstufung einbüßen könnten. Anderenorts wird die Lage, in der sich die Saudis befinden, gar noch ein wenig schwärzer eingeschätzt.

Aktien des Ölriesens Aramco und von Kreditgebern unter Druck

Denn, so einzelne Stimmen unter Analysten, werden sich traditionelle Kostenkürzungen in der aktuellen Krise bei Weitem nicht als ausreichend erweisen, um den Sturm zu meistern. Es sei keineswegs zu vernachlässigen, dass Saudi-Arabien bei allem Drang zur Modernisierung nach wie vor auf eine antiquierte Wirtschaftsarchitektur blicke, die sich den Kräften dieses Sturms ausgesetzt sähe.

Und so verwundert es kaum, dass Aktien des Ölriesen Saudi-Aramco zuletzt ebenfalls massiv unter die Räder gekommen sind. Auch andere wichtige Bereiche wurden von dem jüngsten Rückgang an den saudischen Aktienmärkten erfasst. Hierzu gehörten allen voran Kreditgeber wie Al Rajhi Bank, National Commercial Bank und Saudi British Bank.

Schäden von langfristiger Natur

Längst schon sind über den Verlauf der letzten Wochen auch die Aktienmärkte in Kuwait, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Katar, Ägypten und Israel in dieses Fahrwasser geraten. Im Emirat Dubai kamen zu Wochenbeginn vor allem erneut Aktien von Projektentwicklern wie Deyaar Development, Damac Properties und Dubai Investments nach Abschlägen von bis zu fünf Prozent unter die Räder, wonach der Handel in diesen Titeln gestoppt wurde.

Dieser regionenübergreifende Abschwung an den Aktienmärkten dürfte der Aussage des saudischen Finanzministers al-Jadaan geschuldet gewesen sein, laut der Saudi-Arabien eine derart schwere Krise seit Jahrzehnten nicht mehr erlebt habe. Allgemein wurden die düsteren Warnungen al-Jadaans in der Analystenzunft wie folgt interpretiert: Die durch den Corona-Ausbruch verursachten Schäden werden langfristiger Natur sein.

Golfländer: Ausgabekürzungen in Höhe von durchschnittlich 20 - 30 %

Ferner beginnt sich inzwischen der Gedanke durchzusetzen, dass anderen Regierungen der Golfländer nichts anderes übrigbleiben wird, als dem nun eingeschlagenen Pfad der Saudis zu folgen, heißt, den Gürtel enger zu schnallen. Frage aller Fragen, die sich zurzeit in den Ölnationen stelle, sei, ob sich die ökonomischen Aktivitäten auf Sicht substanziell erholen werden, um hierdurch zumindest einen Teil des Ölpreiseinbruchs zu kompensieren.

Sollte es zu keiner substanziellen Erholung der Wirtschaftsaktivitäten im laufenden Jahr kommen, werden sich die Golfnationen nämlich dazu gezwungen sehen, ihre Budgets in einem noch stärkeren Ausmaß zu kürzen – und dies nicht nur im laufenden, sondern auch im kommenden Jahr. Bislang wurde in der Region mit staatlichen Ausgabekürzungen in Höhe von durchschnittlich 20 bis 30 Prozent kalkuliert.

Ob diese angedachten Kürzungen sich als ausreichend erweisen werden, dürfte sich schon bald herausstellen. Zu welch hohem Grad der Unzufriedenheit solche Ausgabekürzungen zwischen den Jahren 2014 und 2016 im Angesicht des letzten Ölpreisabsturzes geführt hatten, ist uns noch gut in Erinnerung.

Bei Al-Jazeera erinnert man sich in diesen Tagen jedenfalls noch sehr gut an die damaligen Entwicklungen. Nachdem die ausländischen Währungsreserven Saudi-Arabiens im Jahr 2014 ein Rekordhoch von 735 Milliarden US-Dollars erreicht hatten, reduzierten sich diese Rücklagen im Lauf der anschließenden drei Jahre um mehr als ein Drittel.

Und nun setzt sich dieser Rückgang dieser Rücklagen mit unverminderter Geschwindigkeit fort. Dabei hat die saudische Regierung zumindest bislang nur zu einem geringen Grad auf diese finanziellen Reserven zurückgegriffen, um die Fiskalseite zu stützen. Seit dem Jahr 2016 ist das Königreich verstärkt an den internationalen Bondmärkten aktiv gewesen, um sich auftuende Finanzlücken im heimischen Budget zu stopfen.

Goldman warnt vor Abwertung des Rial…

Bei Goldman Sachs wird davor gewarnt, dass sich eine Abwertung der heimischen Währung Rial als zu teuer aus Sicht Saudi-Arabiens erweisen würde. Eine bessere Option wäre, den Ölpreisschock durch vorzunehmende Änderungen auf der Fiskalseite abzufedern. Fraglich bleibt, wie sich die globale Nachfrage nach neu zu emittierenden Staatsanleihen der Saudis gestalten wird, da diese auf US-Dollar-Basis emittierten Schulden voraussichtlich niemals durch die Federal Reserve garantiert werden.

Diese Zusammenfassung für CK*Wirtschaftsfacts basiert auf einem Bericht auf der Seite des Finanzblogs Zerohedge und wurde inhaltlich durch Roman Baudzus ergänzt.

Was heißt das für mich konkret?

Wir sehen hier ein Problem, das alle Akteure an den sogenannten Eurodollar-Märkten haben – und das im Angesicht dieser fortdauernden Krise immer prekärer zu werden droht. Ich bin hierauf bereits ausführlich in Fed gibt alles, doch es wird nicht reichen eingegangen.

Letzten Endes wird es mit Blick auf zahlreiche Schwellen- und Entwicklungsländer, wie dies momentan schon auf Ebene der Vereinten Nationen diskutiert wird, zu umfangreichen Schuldenerlassen kommen müssen. Die sich bietende Alternative wären ungeordnete Zahlungsausfälle, die das globale Bankensystem in seinen Grundfesten erschüttern würden.

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